Ein „Beitrag gegen Verschwendung“?

Ergänzung: Resteverwertung zum halben Preis. – Übriggebliebene Essen in der Gastronomie doch noch verwerten, das ermöglicht die Handy-App „Too Good To Go“. Dabei »dreht sich alles um Essen, das „zu gut ist, um weggeschmissen zu werden“. Restaurants, Bäckereien oder andere Lebensmittelläden können sich registrieren und dort am Ende des Tages die übrig gebliebenen Speisen loswerden, anstatt sie wegzuwerfen. Die Kunden wiederum freuen sich über gutes Essen zu niedrigen Preisen und tragen gleichzeitig dazu bei, die Gastronomie auf dem Weg zur Nachhaltigkeit zu unterstützen … Wunderboxen aus kompostierbarem Material zum Preis von 4,50 Euro …« – Das berichtete das Brucker Tagblatt am 2.1.20.
Kommentar: Die aufwertende Behauptung, dies sei ein „Weg zur Nachhaltigkeit“ darf bezweifelt werden. Die „Wunderbox“ ist lediglich eine gute Marketing-Idee zur Resteverwertung zum halben Preis.

Die Brucker SZ berichtete am 15.12.19: »Veranstaltung stellt Arbeit der Brucker “Lebensmittelretter” vor …Kemmet versteht sich … ausdrücklich auch als Lebensmittelretterin … beschafft sich legal Lebensmittel von Supermärkten und verteilt sie an Menschen, die diese brauchen oder auch nicht. “Es kann auch die BMW-Managerin vorbeikommen”, sagt Kemmet zur Überraschung der 20 Besucher der Veranstaltung. “Die will vielleicht aus ideologischen Gründen, dass keine Lebensmittel weggeworfen werden.” … Etwa 15 aktive “Retter” gibt es. Die Gruppe organisiert sich über Facebook. Auch die Verteilung der Lebensmittel erfolgt darüber … Die Lebensmittelbezieher müssen sich … über Facebook verbindlich anmelden. Kommt jemand zweimal unentschuldigt nicht, fliegt er aus der Bezieherliste … Die Tafel verteilt ihre Lebensmittel nur an einem bestimmten Tag in der Woche. Die Rettergruppe verteilt 25 Mal pro Woche Lebensmittel. Die Beziehung zu den Tafeln laufe nicht spannungsfrei … “Containern”. “Sie holen es aus den Containern, aber es fehlt ihnen an Verteillogistik”, kritisiert Kemmet. “Ich gehe lieber vorne zur Tür rein und hole die Lebensmittel ab.”«
Kommentar: Legales Abholen nicht verkäuflicher Waren wird ausgespielt gegen sogenanntes illegales Containern. Trotz mehrerer Zeitungsberichte scheinen Frau Kemmet und ihre Helfer nicht registriert zu haben, dass es den beiden Lebensmittelretterinnen Caro und Franzi um eine Legalisierung des sogenannten Containerns geht und nicht um die Propagierung dieser Methode als nachahmenswert. Und darüber hinaus um eine menschenwürdige Produktions- und Handelspolitik für Nahrungsmittel. Frau Kemmet nutzt dagegen eine rechtliche Lücke im Marktgeschehen. Das ist legal und macht auch für die Märkte logistisch Sinn. Ob ihre Handlungsweise fair ist, das ist eine andere Frage. Wer teilnehmen will, muss beim umstrittenen Netzwerk „Facebook“ angemeldet sein. Nicht jeder Mensch kann oder will das. Zum Holen muss man die Abholstellen anfahren können. Wer teilhaben will, muss die Abholzeiten einhalten oder er wird gesperrt. Für die meisten Nutzer der „Tafeln“ dürften solche Regeln unangemessen sein. Somit wird Frau Kemmets „Lebensmittelrettung“ wohl oder übel zum Privileg für Menschen, denen Technik, Zeitbudget und Mobilität keine Probleme bereiten, was sehr oft auch vom finanziellen Hintergrund abhängt. Somit sind „Bessergestellte“ bis hinauf zur „BMW-Managerin“, denen sie „ideologische Gründe“ unterstellt oder zubilligt, die bevorteilten Nutznießer ihrer Kampagne. Die Fragen sind erlaubt, ob die Etikettierung als „Lebensmittelrettung“ für diese Initiative zutreffend oder eher verschleiernd ist? Hat jener Abnehmerkreis eine kostenlose „Speisung“ tatsächlich nötig oder handelt es sich vielmehr um eine Alimentierung eines Bevölkerungskreises, der einen Gang zur „Tafel“ nicht oder noch nicht nötig hat? So baut man eine neue Spaltung zwischen den armen und prekär lebenden Mitmenschen und allen anderen auf. Eben deswegen ist „die Beziehung zu den Tafeln nicht spannungsfrei“, wie Frau Kemmet konstatiert. Die Existenz der „Tafel-Kultur“, wie sie verharmlosend genannt wird, macht einen Sozialstaat als solchen unglaubwürdig. Durch die sogenannten „Lebensmittelretter“ à la Kemmet bekommt er noch einen unwürdigen Ableger drauf gepfropft. Anstatt gemeinsam Wege aus dem Dilemma der sich weiter öffnenden Schere zwischen Arm und Reich zu suchen, heftet ihm diese Initiative ein freundlich schillerndes “Logo“ an. Anders sehe die Lage aus, wenn die Märkte wie in Frankreich gesetzlich verpflichtet wären, alle nicht-verkäuflichen Waren an die „Tafeln“ abzugeben. Frau Kemmets Klientel hätte dann freilich das Nachsehen.
Die Presse berichtet: „20 Prozent mehr Rentner … Mehr als 400.000 Rentner holen sich ihr Essen bei den Tafeln … Die bundesweit etwa 940 Tafeln verzeichneten aktuell 1,65 Millionen Kunden … „Unter unseren Kunden sind auch 500.000 Kinder und Jugendliche“ …