Einladung zum Container-Prozess & Anfrage zur Kooperation
Unter dieser Überschrift erreichte uns die folgende Nachricht: » Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und engagierte Menschen, Containern, das Verwerten von weggeworfenen Lebensmitteln, erfreut sich unter Jung und Alt großer Beliebtheit. Jedoch wird das Containern nach wie vor immer wieder rechtlich verfolgt. Dies müssen wir, Caro (27) und Franzi (25), jetzt am eigenen Leib erfahren. Uns wird vorgeworfen, weggeworfene Lebensmittel aus dem Müll eines Supermarktes „gestohlen“ zu haben. Mit dem Vorwurf des „besonders schweren Fall des Diebstahls“, § 243 StGB findet am 12. November um 8:30 Uhr am Amtsgericht Fürstenfeldbruck die Hauptverhandlung gegen uns statt. In diesem Zuge wenden wir uns an die Öffentlichkeit, um auf die Lebensmittelverschwendung und die moralisch bedenkliche Gesetzeslage in Deutschland aufmerksam zu machen und weiter zu sensibilisieren.
Wir sind zwei Studentinnen aus der Kleinstadt Olching, dem Münchener Umland. Uns wird vorgeworfen in der Nacht vom 4. Juni Lebensmittel aus dem Mülleimer eines Supermarktes „entwendet“ zu haben. Gegen uns wurde ein Ermittlungsverfahren wegen „eines besonders schweren Fall des Diebstahls“, § 243 StGB eingeleitet. Die Polizei geht davon aus, dass die Lebensmittel, die weggeschmissen wurden, einen Wert von 100 EUR (dem Verkaufswert) hatten und wir diesen Wert gestohlen haben. Die Staatsanwaltschaft hat einen Strafantrag gegen uns beantragt. Demnach sind wir des „besonders schweren Fall des Diebstahls“ schuldig und sollen 40 Tagessätze a 30 €, also 1200 € pro Person und insgesamt 2400 € dafür bezahlen, dass wir weggeworfene Lebensmittel an uns genommen haben sollen. Unserer Meinung nach ist diese Einschätzung nicht haltbar, denn die Lebensmittel wurden zur Entsorgung freigegeben und sind allerhöchstens noch ihrem Brennwert nach zu beurteilen.
Wir positionieren uns klar gegen die Verschwendung von Lebensmitteln und die Kriminalisierung der Lebensmittelrettung: Containern ist kein Verbrechen! Vielmehr sollte hinterfragt werden, dass diese in großen Mengen weggeschmissen werden. Aktuell landen in Deutschland mindestens 18,4 Millionen Tonnen genießbare Lebensmittel pro Jahr in der Tonne (WWF-Studie „Das große Wegschmeißen“, 2015). Mit dieser Ressourcenverschwendung sind wir nicht einverstanden. Wir haben uns dazu entschieden, Einspruch einzulegen und den Prozess öffentlich und politisch zu führen. Nun steht der Gerichtstermin am Montag, den 8. Oktober vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck. Leider wurde der Termin sehr früh angesetzt und das Gericht war auch auf Anfrage unserer AnwältInnen hin, nicht dazu bereit, diesen zu verschieben. Deswegen war es uns leider nicht früher möglich, uns an die Öffentlichkeit zu wenden. Vor diesem Termin werden wir keine Berge mehr bewegen können. Dies wollen wir auch weiterhin zum Anlass nehmen, um sich zu vernetzen und sich darüber hinaus für gemeinsame Ziele einzusetzen (wie der Entkriminalisierung der Lebensmittelrettung, Sensibilisierung für Ressourcenverschwendung und Konsumverhalten, etc.). Die Notwendigkeit zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Staatsanwaltschaft und Richter bis jetzt wenig Kooperationsbereitschaft gezeigt haben. Deswegen behalten wir es uns vor, eventuell in die zweite Instanz vor das Landgericht München zu gehen, um dort mehr erreichen zu können. Bis dahin würde auch mehr Zeit vorhanden sein, um eine öffentliche Kampagne zu starten.
Nach dem ersten Gerichtsprozess möchten wir gerne eine Supportgruppe ins Leben rufen, sodass sich Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen. Wir sind offen für Ideen, Aktionen, Demos, Pressearbeit, etc. Habt ihr Interesse an einer Zusammenarbeit? Habt ihr kreative Ideen? Wir möchten euch außerdem zum Gerichtstermin am Montag einladen. Diese Einladung kann auch fleißig geteilt werden.
Der Gerichtstermin ist am 12. November um 8:30 Uhr vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck (Stadelbergerstraße 5). Bitte kommt frühzeitig, die Einlasskontrollen können Zeit in Anspruch nehmen. Wenn wir viele sind, wird deutlich, dass eine Kriminalisierung nicht akzeptiert wird. Containern ist kein Verbrechen, es darf nicht als individuelle Straftat gesehen werden. Stattdessen sollten Gesetzgeber, Supermärkte und Gesellschaft Verantwortung übernehmen. Ihr erreicht uns unter der Mailadresse: olchis-containern_1@riseup.net oder per Telefon: 015204009041 und 017697858071. Unser neuer Blog: http://olchiscontainern1.blogsport.de – Liebe Grüße, Franzi & Caro «
Hierzu passt der akuelle TV-Kurzbericht auf 3sat/nano „Essen retten. Mittlerweile gibt es immer mehr gute Ideen gegen Verschwendung: Jedes Jahr landen in Deutschland über 6 Tonnen Lebensmittel im Müll. Lebensmittelretter tun was dagegen“: www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=74396
Bitte in der Verhandlung auf § 243 Abs. 2 StGB hinweisen. Demnach gibt es keinen besonders schweren Fall bei geringwertigen Sachen. Die Wertgrenze wurde vom BGH mal auf 25 Euro festgesetzt, manche Oberlandesgerichte gehen von 50 Euro aus. Dies dürfte bei „Müll aus dem Container“ nicht erreicht sein. Also wenn dann nur normaler Diebstahl. Dafür käme dann aber noch Hausfriedensbruch dazu, wenn eine Umgrenzung überklettert wurde. Das wird bisher vom 243 Abs 1 StGB verdrängt. Viel Glück
Den Ausführungen von Peter ist zuzustimmen. Offensichtlich geht die Staatsanwaltschaft (ob zu Recht oder zu Unrecht muss das Gericht entscheiden) aber von einem Diebstahl in einem besonders schweren Fall aus, wenn die Höhe der verhängten Strafe als Maßstab angesetzt wird. Sollte es aber kein Einbruch in ein abgeschlossenes Anwesen gewesen sein und auch kein Hausfriedensbruch, dann muss die Strafe deutlich geringer ausfallen, denn die bemisst sich nach der Schwere des Vergehens.
Jedenfalls ist gut gemeint nicht immer gut getan. Moralisch integere Aktivist*innen sollten sich also immer vorher genau darüber klar werden, welche Methode des Protests gegen gesellschaftliche Mißstände die geeignetere und erfolgreichere ist sowie welche Folgen ein bestimmtes Handeln nach sich ziehen kann, wenn es strafbar ist.