Ein Plädoyer für urbanes Bauen?

Unter dem Motto „Meine Stimme für Vernunft“ diskutierte SPD-Landtagskandidat Christian Winklmeier mit der ehemaligen Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) und dem SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Schrodi über Immobilienpolitik und Flächenverbrauch. Zum leidigen Thema Wohnungspolitik hieß es dazu im SZ-Bericht vom 30.8.: Hendricks favorisiert die Innenverdichtung von Städten und Gemeinden. “Wir müssen näher zusammenrücken” … Kommunen sollten den Mut aufbringen, höher und dichter zu bauen. Beispielsweise gebe es in so mancher Wohnanlage die Möglichkeit, noch ein weiteres Haus zu platzieren. Auch nicht mehr genutzte Areale, wie alte Bahnhöfe, könnten neu bebaut werden … Deutlich wurde in der Diskussion auch, dass die Kommunen zu einem guten Teil auf die Ausweisung von Gewerbegebieten angewiesen sind, weil sie das aus der Steuer fließende Geld benötigen …
Kommentar: Das waren im Wesentlichen die Vorschläge für vernünftiges urbanes Bauen: Zusammenrücken, höher, dichter. Menschlicher ist das nicht, aber es geht ja auch, wie immer, ums Geld dabei. Und es blieb, wie immer, beim ominösen „man“ müsste und „die Kommunen“ sollten … Dabei geht es doch auch um „die Frage, wie die Ökonomisierung des Alltagslebens die Stadt prägt und unser aller Umgang damit verändert“. Wie es ist, wissen wir: „Auf der einen Seite suchen Anleger und Developer nach neuen, renditestarken Investitionsdestinationen. Auf der anderen Seite scheuen Städte und Regionen im internationalen Standortwettbewerb keinen Aufwand, um Investoren anzulocken … im Vordergrund stehen ‚Vermarktungsobjekte‘. Und das geht zulasten der Lebenswirklichkeit des durchschnittlichen Stadtbewohners … Private Investoren bauen, ohne die Nutzer zu kennen.“ Das Ergebnis: „Die Sozialrendite von Häusern und Projekten, die gefühlten Werte: Sie scheint es in dieser Immobilienwelt nicht zu geben … Längst befindet sich unser Kulturkreis im Übergang von einer politisch motivierten, nicht-monetären Stadtentwicklung hin zu einer privaten, an Gewinn und Rendite orientierten Steuerung … Immobilien gehören offenbar mittlerweile zur Finanzwirtschaft, und diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich von der produzierenden Wirtschaft entkoppelt hat und diese trotzdem beherrscht.“ Es fragt sich: „Ob man damit das allerorts postulierte Ziel, starke, zukunftsfähige Quartiere zu schaffen, erreicht?“ Denn: „Die einzelnen Gebäude, ihr Produktionsprozess ebenso wie ihr Zusammenspiel als baulich-räumliche Umwelt sind Indikatoren für den Lebenswert eines Ortes. Er wird in dreifacher Weise wahrgenommen: funktional im alltäglichen Gebrauch (als Gebrauchswert), ökonomisch über die Nachfrage als Wohn- und Arbeitsort (als Tauschwert) und emotional über das Erscheinungsbild und die Atmosphäre des Ortes (als Inszenierungswert)“. In der Wohnungspolitik fehlen überzeugende neue Paradigmen des Gemeinwohls. Vielleicht sollten wir so plädieren: „Gibt es ein Recht, mit den Lebens- und Existenzbedingungen von anderen sehr viel Geld zu verdienen? Gibt es ein Recht, die Innenstadt zur Verwertungsmasse zu machen? Wir könnten auch denjenigen sagen, die Betongold schürfen, geht dorthin, wo ihr niemanden stört.” – Wir zitierten aus einem Artikel von Robert Kaltenbrunner, Abteilungsleiter im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (www.heise.de/tp/autoren/?autor=Robert%20Kaltenbrunner).