Die Coronakrise hat die Armut auf den Spielplan gesetzt

Die Germeringer Schauspielerin und Autorin Bettina Kenter-Götte sagt: Wir brauchen ein #metoo der armutsbetroffenen Freien (Künstler und Kulturschaffende), vor allem der Frauen, damit klar wird, wie viele wie schwer betroffen sind. Denn „das Schweigen ist ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können“, sagte Roberto Saviano vor zwei Jahren in einem Aufruf an Intellektuelle und Kulturschaffende. Es wurde weiter geschwiegen; nicht nur in Italien. Bettina Kenter-Götte erhebt ihre Stimme gegen die unerträglichen Lobpreisungen des hartzgrausigen Sozialabbaus, dessen Folgen bereits überall erkennbar sind: Spaltung der Gesellschaft, Niedriglöhne, Kinder- und Altersarmut und zunehmende Obdachlosigkeit. Eine Realität, schon lange vor „Corona“. Sie sagt in ihrem aufrüttelnder Artikel: »Und nun Corona. Haben wir uns nicht ausgesucht. Tausende von SchauspielerInnen stehen vor dem Nichts; haben keine Möglichkeit mehr, auch nur einen Cent zu verdienen, denn auch die Nebenjobs fallen weg, Bettenmachen im Hotel, Workshops, Unterrichten, Kellnern. Nun zeigt sich, was so lange so sorgsam versteckt wurde. Dass die meisten kaum für sechs Wochen Rücklagen haben. Dass viele schon jetzt nicht mehr wissen, wie sie die nächste Miete zahlen sollen. „Soforthilfe“, zumindest in Bayern, ja. Aber wie lange reicht die? Und wie lange wird „Corona“ dauern? Und wie viele Theater, Kleintheater, Filmproduktionen und Synchronstudios wird es nach Corona noch geben? Nun ist die kollektive Katastrophe da. Und sie trifft, wie immer und überall, die Frauen am härtesten. Dass sich die Coronakrise jetzt so verheerend auf die (Solo-) Selbstständigen und „Unständigen“ auswirkt, liegt auch an der langjährigen Entsozialisierung der Branche; liegt auch an der Agenda 2010 mit ihrem Herz(los)stück „Hartz IV“. Anspruch auf „Arbeitslosengeld“ konnte kaum jemals jemand von uns erwerben. Doch bis 2004 gab es die „Arbeitslosenhilfe“. Damit konnten wir berufliche und gesundheitliche Krisen einigermaßen überstehen. Mit „Hartz IV“ wurde die Arbeitslosenhilfe abgeschafft. Seitdem bleibt den Vogelfreien nur noch Arbeitslosengeld II, kurz ALG II, besser bekannt als „Hartz IV“. Wer damit in Verbindung gebracht wird, ist z.B. bei Castern unten durch; zumindest war das bis zur Coronakrise so, denn „Hartz IV“ war von Anfang an diskreditiert als Almosen für unwürdige Schwachmaten. Die „Arbeitslosenhilfe“ galt als Lohnersatzleistung. Die Leistung und die Grenzen für Hinzuverdienst und Rücklagen („Schonvermögen“) waren bedeutend höher als bei Hartz IV. Und vor allem: Es wurden Rentenbeiträge gezahlt. Dies ist nun nicht mehr der Fall. Seit 2011 gelten ALG-II-Bezugszeiten nicht mehr als Rentenanwartschaftszeiten. Das heißt: Wer mehrere Jahre auf Grundsicherung angewiesen ist, wird wohl auch in der Altersarmut landen. Zigtausende von uns werden demnächst einen “Antrag auf Grundsicherung“ stellen müssen. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales stellte „vereinfachte Antragsformulare“ für die Zeit der Krise in Aussicht. Doch der Antrag, mit Anlagen, umfasst nach wie vor mehr als 50 Seiten (SZ berichtete).« – Ihr ganzer Artikel ist zu lesen auf www.pressenza.com/de/2020/04/jetzt-steht-armut-auf-dem-spielplan. – Ihr Buch: Bettina Kenter-Götte, Schauspielerin und Autorin des Buchs „Heart´s Fear – Geschichten von Armut und Ausgrenzung“, 184 Seiten, ISBN: 978 – 3 – 88021 – 494-1.

Obere Bild-Quelle: “Münchner Wochenblatt 15/2020”